Am
7. Dezember 2012, über 3 Jahre nach seiner Verabschiedung trat das Gesetz nun
in Kraft. Die Meinungen darüber bleiben weiterhin gespalten und eine große
Mediengruppe geht noch immer gerichtlich dagegen vor. Grund genug, die Hintergründe
des Gesetzes und die argentinische Medienlandschaft hier einmal überblicksartig
zu beleuchten.
Rolle der Medien
innerhalb einer Demokratie
Eines
der Grundprinzipien modernen Demokratien ist die „Selbstregulierung des Volkes
durch das Volk“. Dieses Prinzip setzt einen umfassenden Prozess der Meinungs-
und Willensbildung voraus. Diesen Prozess zu ermöglichen und jedem Bürger
Zugang zu den relevanten Informationen zu verschaffen ist die Aufgabe der
Medien. Erst diese Voraussetzung ermöglicht eine Teilnahme des Einzelnen am
öffentlichen Diskurs und befähigt die Bürger zur Erfüllung ihrer Aufgabe als
politische Kontrollinstanz.
Medien
fungieren also rein theoretisch als neutrale „Dienstleister der Kommunikation“.
In den meisten der demokratischen Flächenstaaten wird diese Rolle von
Massenmedien eingenommen.[1]
Mit
der zunehmenden Ökonomisierung der Medienlandschaft ist automatisch noch eine
weitere Komponente hinzugekommen. Berichterstattung dient nun nicht mehr nur
der Information und Wissensvermittlung innerhalb eines demokratischen Systems,
sondern ist ganz konkret auch eine Ware. Und mit einer Ware ist automatisch die
Hoffnung auf Gewinn verbunden.
Argentinische
Medienlandschaft vor Inkrafttreten des Gesetzes
Begünstigt
durch die neoliberale Ausrichtung der Militärdiktatur und die
Privatisierungswelle der sogenannten Menemjahre (Carlos Menem regierte
Argentinien zwischen 1989 und 1999 und widmete seine Präsidentschaft der
Privatisierung nahezu aller öffentlicher Betriebe) entwickelten sich zwischen
1976 und 1999 mächtige Oligopole speziell auf dem Zeitungsmarkt. Der mächtigste
unter den wenigen Akteuren, die Gruppe „Clarín“, erwarb gemeinsam mit den
Leitern der beiden anderen großen Häuser „La Nación“ und „La Razón“ bereits
kurz nach dem Militärputsch den landesweit einzigen Hersteller für
Zeitungspapier PapelPrensa von der Regierung. Somit kontrollierten die
drei größten Pressehäuser die vollständige Herstellung des für die Branche
wichtigsten Rohstoffs und konnten so gegenüber der Konkurrenz beliebig die
Preise diktieren.
Heute,
gehört die argentinische Medienlandschaft zu den am stärksten in wenigen Händen
konzentrierten der Welt.
Die
vier größten Mediengruppen des Landes kontrollieren 83% des nationalen Marktes
in den Bereichen Printmedien, Radio, TV und Telekommunikation. Zum Vergleich:
In Deutschland nehmen die wichtigsten fünf Zeitungsverlage einen Marktanteil
von 44% ein.
Die
größte dieser „Big Four“, die Claríngruppe kontrolliert alleine 53,9% des
Zeitungsmarkts und 73% des PayTVs und wird von einem mächtigen und
finanzstarken Konsortium, zu dem unter anderem die Bankengruppe Goldman Sachs
gehört, kontrolliert. Über ein kompliziertes Geflecht aus Beteiligungen und
Tochtergesellschaften ist Clarín in nahezu allen medial bedeutenden Bereichen marktführend.
Zu ihr gehört mit Radio Mitre der zweitbeliebteste Radiosender, mit Canal
13 der wichtigste über Antenne empfangbare Fernsehkanal des Landes. Jede
dritte in Argentinien verkaufte Zeitung kommt aus den Druckereien von Clarín.
Diese
Marktmacht ist auch Grund für den enormen Widerstand den Claríns Lobbyisten und
schließlich Anwälte gegen die Verabschiedung des neuen Mediengesetzes leisten.[2]
Das neue
argentinische Mediengesetz
Nach
seiner Verabschiedung im Oktober 2009 wurde das Gesetz am 7. Dezember 2012 für
große Teile der Presselandschaft gültig und führte bereits zu kleinen
Veränderungen. Einzig die Claríngruppe leistete Widerstand gegen seine
Umsetzung und zog erneut vor Gericht.
Im
Wesentlichen bringt das Gesetz vier wichtige Neuerungen.
Erstens:
Eine Pluralisierung des Angebots, die verstärkt auch auf nationale Produktionen
Rücksicht nehmen wird. Die Lizenzen der einzelnen Sektoren sollen zu gleichen
Teilen an staatliche, private und nicht-gewinnorientierte Anbieter vergeben
werden. Hiermit können in Zukunft auch Universitäten, NGO's, Gewerkschaften und
andere Gruppen aus der Gesellschaft ihre Präsenz in den Medien erhöhen. Diese
sozialen Bewegungen spielen in Argentinien seit dem Rückzug des Staates aus
vielen Bereichen des Alltags eine wichtige Rolle, da sie vielerorts
Bildungseinrichtungen, medizinische Versorgung, etc. weiterführten, an denen
private Investoren kein Interesse hatten. Ihre wichtige Rolle für die
argentinische Gesellschaft soll sich nun auch in Form medialer Präsenz widerspiegeln.
Der
zweite wichtige Punkt ist die umfassende Entmonopolisierung des Sektors. Statt
bisher 24 TV-Sendelizenzen pro Unternehmen zu verkaufen, sieht das Gesetz nun
vor, maximal 10 Lizenzen zu vergeben. Dies hätte beispielsweise für Clarín die
Abgabe eines Drittels seiner Lizenzen zur Folge.
Drittens
sieht das Gesetz eine stärkere Regulierung der Inhalte vor. Besonders die
Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen ist dabei ein wichtiges Kriterium.
Zur
Garantie der Einhaltung dieser Regeln soll als vierter wichtiger Punkt ein
parlamentarisches Kontrollgremium eingerichtet werden. Diesem Gremium werden
drei Vertreter der Streitkräfte, zwei Vertreter privater Medienhäuser und zwei
Repräsentanten der Regierung angehören. Ein weiteres rein von Parlamentsmitgliedern
besetztes Komitee wird für die Lizenzvergabe zuständig sein.
Mithilfe
dieser Veränderungen soll eine Neuausrichtung des Mediensektors als
menschliches Grundrecht gelingen und das bisher herrschende Leitprinzip des
kommerziellen Erfolgs abgelöst werden.
Clarín gegen die
Regierung Kirchner
Mit
Verabschiedung der Gesetzesinitiative erreichte die Beziehung zwischen der
Regierung von Cristina Fernández de Kirchner und den privaten Medien ihren
absoluten Tiefpunkt.
Clarín
ist Hauptbetroffene des neuen Mediengesetzes und musste bei der erneuten
Verstaatlichung der Produktionsfabriken für Zeitungspapier bereits dessen
umfassenden Konsequenzen erleiden.
Pünktlich
zum 7. Dezember 2012 erwirkte Clarín eine einstweilige Verfügung und eine
Neuverhandlung des Gesetzes vor den Gerichten des Landes. So gelang es der
Gruppe zumindest vorläufig dessen Vollstreckung und somit den Verlust seiner
monopolartigen Ausnahmestellung zu verhindern. Auf die Ablehnung der Beschwerde
in erster Instanz reagierten die Clarínanwälte mit dem Gang vor die
nächsthöhere Instanz. Mit einer Fortsetzung dieses Vorgehens bis zum obersten
Gerichtshof wird wohl zu rechnen sein. So wird der Corte Suprema de Justicia
de la Nación den Konflikt zwischen Regierung und Clarín entscheiden müssen
und damit die Frage nach der Grundlage von Pressearbeit in Argentinien.
[1] Vgl.: Meyn, H.;
Tonnenmacher,J: Massenmedien in Deutschland, Konstanz 2012, S.13f
[2] Alle Daten
siehe: Schulten, J.: Drei Schritte vor und ein halber zurück.
Die
Medienpolitik der Regierung Fernández de Kirchner. Erschienen in:
Lateinamerikagruppe Marburg: Medien und Demokratie in Lateinamerika, Berlin
2012, S.138f
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